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Windrad Foto: CarstenE Lizenz: CC BY-SA 3.0

Deutschland braucht ein zentral gesteuertes Energiemanagement

Die Bundesrepublik steht vor dem schwierigsten Winter ihrer Geschichte: Ob Gas zur Verfügung stehen wird, ist vollkommen offen. Auch ob die europäischen Partner gemeinsam in der Lage sein werden, die Versorgung der Bürger und der Industrie zu sichern, muss sich erst zeigen.

Aber es wäre fatal in der Notlage, in der sich Deutschland ohne Zweifel befindet, den Blick nicht auch auf die Zukunft zu richten. Wir wissen nicht, wann es wieder eine gesicherte und preisgünstige Energieversorgung geben wird, also müssen wir uns darauf einrichten, mit der zur Verfügung stehenden Energie besser zu Haushalten. Neben Investitionen in die Energieversorgung wird es wichtig sein, Haushalte, Unternehmen und die Stromnetze digital nachzurüsten. Über einen größeren Einsatz von Künstlicher Intelligenz in diesen Bereichen wird zwar seit Jahren diskutiert, aber es ist nun unabdingbar aus den Debatten in die Umsetzung zu kommen. Auch wenn es noch offene Fragen gibt und nicht alle Probleme gelöst sind, muss Deutschland seinen gewohnten 100-Prozent-Pfad verlassen, nachdem eine Technik erst eingeführt wird, wenn sie perfekt ist. In anderen Ländern den USA arbeitet beispielsweise IT-Industrie nach dem Pareto-Prinzip: Mit 20 Prozent der Leistung wird ein Ergebnis erreicht, dass zu 80 Prozent ausreichend ist. Wenn die Zeiten wieder ruhiger sind, kann man sich an die Optimierung machen.

Deutschland braucht ein zentral gesteuertes Energiemanagement und eine dezentrale Energieversorgung. Es reicht nicht, wenn an der Nordseeküste große Windparks entstehen. Wir müssen vor allem auch in den Städten jede Fläche nutzen, um mit Solarzellen Strom zu erzeugen: Über Parkplätzen müssen Solarzellen ebenso installiert werden wie auf Dächern und, wo immer möglich, auf Feldern. Dazu brauchen wir Speicheranlagen, in denen der überschüssige Strom für einen späteren Zeitpunkt vorgehalten wird. Auch die rasch wachsende Zahl von Elektroautos wird in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Energieversorgung spielen: Ihre Akkus können als Puffer genutzt werden: Steht viel Strom zur Verfügung, können sie geladen werden. Ist Strom Mangelware, speisen sie ihn ins Netz ein. Doch nur mit der Einspeisung von Strom ist es nicht getan. Wir müssen sowohl alle Anlagen, die Strom produzieren, alle Geräte, die ihn verbrauchen und alle Leitungen, überregionale Verteilnetze ebenso wie die lokalen, digitalisieren.

Nur mit Hilfe von selbstlernenden KI-Systemen wird es gelingen nicht nur einen Überblick über die Menge des produzierten und des benötigten Stroms zu haben. Anders wird es nicht möglich sein zu entscheiden, welche Strommenge wo gespeichert wird, ob Kühltruhen bei Energieknappheit nicht für ein paar Stunden um wenige Grad heruntergeregelt werden können oder wie die Heizsysteme der Wohn- und Geschäftshäuser gesteuert werden.

Dank Technologien wie dem Maschinellen Lernen, werden diese vernetzten Systeme ihre Daten teilen und sich aufeinander abstimmen. Sie werden gemeinsam das vorgegeben Zeil erreichen, rund um die Uhr nicht nur die notwendige Menge an Strom zu erzeugen, sondern sie auch auf die Verbraucher zu verteilen. Sie werden ihre Aufgaben mit jedem Tag besser erledigen können, wenn denn die Menge der Daten, die sie zu verarbeiten haben, größer wird. Für KI-Systeme ist das keine Belastung. Im Gegenteil: Je mehr Informationen ihnen zur Verfügung gestellt werden, umso effektive werden sie. Deutschland braucht eine Smart-Home Initiative. Bei diesem Thema geht es um mehr als unterhaltsame Spielereien. Wichtig werden in den kommenden Jahren alle Anwendungen, mit denen sich der Energieverbrauch präzise nach Räumen und Uhrzeiten steuern lässt. So wird Energie noch dann und dort verbraucht, wo sie wirklich benötig wird. Der Vorteil der neuen, meist via Apps gesteuerten Geräte ist, dass sie wesentlich einfacher, ja zum Teil sogar spielerisch, zu bedienen sind. So wächst die Akzeptanz, Fehler werden vermieden und das Energiesparen wird einfacher.

Wichtig ist auch eine präzisere und kleinräumigere Wettervorhersage. Es ist wichtig zu wissen, wann wie lange an einem Ort die Sonne scheint und wo der Wind weht. Dies sind keine Wohlfühlfragen mehr, es geht nicht darum, ob man ins Freibad gehen kann oder nicht, sondern um möglichst gute Prognosen zur Energieversorgung. Wir brauchen ein dichtes Netz von Wetterstationen, dass mit den KI-Systemen, welche die Energieversorgung, -verteilung und -steuerung organisieren verbunden ist.

Kommt es nur auf KI an? Natürlich nicht. Wir müssen ebenso in eine dezentrale, nachhaltige Energieversorgung investieren wie in eine bessere Isolierung der Gebäude. Und das alles wird Geld kosten. Geld, dass nicht alle Bürger zur Verfügung haben. Hilfen werden nötig sein, aber es gehört zu den Kernaufgaben des Staates, die Infrastruktur für alle Bürger zur Verfügung zu stellen und das, worum es geht ist die Infrastruktur die notwendig ist, um  Deutschland energiewirtschaftlich unabhängiger und CO2-Neutral zu machen.

Die Probleme, die Deutschland zu lösen hat, haben auch andere Staaten. Der Ukrainekrieg zwingt uns nun, unsere Energieversorgung schneller klüger zu machen als es die Energiewende ohnehin tat. Der Druck bietet allerdings auch die Chance, neue Produkte zu entwickeln und die digitale Kompetenz bei den Unternehmern und Verbrauchern zu steigen. Beides ist für die Zukunft des Landes ebenso wichtig, wie eine sichere Energieversorgung.