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BYD Dolphin, chinesisches Elektroauto Foto: Anonymousfox36 Lizenz: CC BY-SA 4.0

Deutschland ist dabei, den Wettlauf um die Zukunft des Autos zu verlieren

Bei der Entwicklung des Autos der Zukunft lassen China und die USA Deutschland hinter sich. Die wichtigste Industrie des Landes droht technologisch den Anschluss zu verlieren.

Wer künftig Autos verkaufen will, muss in zwei Bereichen führend sein: Auf dem Markt wird nur bestehen, wer seinen Kunden intelligente Fahrzeuge mit effektiven und preisgünstigen elektrischen Antrieben anbieten kann. Über kurz oder lang, die Fristen sind von Land zu Land weltweit verschieden, werden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren aus den Städten verschwinden. Der Elektromobilität gehört, von Nischen abgesehen, die Zukunft.

Noch sind Elektroautos teuer und ihre Reichweite ist begrenzt, aber das wird sich ändern. In wenigen Jahren werden Autos mit elektrischen Antrieben nicht mehr kosten als Verbrenner heute und auch ihre Reichweite wird vergleichbar sein.

Diese Autos werden allerdings intelligent sein. Sie werden autonom fahren, den Verkehr und das Wetter im Blick behalten und im Dialog mit dem Fahrer stehen. ChatGPT ist nur ein kleiner Ausblick auf das, was an revolutionären Technologien in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird.

Wir werden auch den Aufstieg neuer Geschäftsmodelle erleben. Wer will, wird weiter sein eigenes Auto haben, aber immer mehr Menschen werden intelligente, elektrische Fahrzeuge nur bei Bedarf buchen.

Als Bürger, Fahrer und Kunden haben wir allen Grund, uns zu freuen: Autos werden umweltfreundlicher, bequemer, flexibler zu nutzen und passen sich uns an.

Für den Standort Deutschland könnte sich diese Entwicklung jedoch als verheerend erweisen, denn sowohl bei den elektrischen Antrieben als auch bei der Künstlichen Intelligenz liegt die deutsche Automobilindustrie weit abgeschlagen hinter den USA und China.

Während in Deutschland über Elektromobilität gesprochen wird, gehören E-Autos in diesen beiden Ländern vor allem in den Städten längst zum Alltagsbild. Selbst die beliebten Pick-ups sind in den USA schon mit E-Antrieb zu bekommen.

Auf längere Sicht wird allerdings China zum wichtigsten Wettbewerber der deutschen Automobilindustrie. Nach Japan und Korea tritt nun China an, sich einen Spitzenplatz in der für Deutschland so entscheidenden Industrie zu erarbeiten.

China liegt bei der Entwicklung neuer, zukunftsweisender Batterien weit vorne. Es ist zudem führend bei ihrer Produktion: Zurzeit werden 68 Prozent aller Batterien in China hergestellt, Ende des Jahrzehnts könnten es 70 Prozent sein. Das Land setzt seit vielen Jahren auf Elektromobilität und versuchte nie ernsthaft, auf dem Markt von Autos mit Verbrennungsmotor gegen europäische, japanische, koreanische oder amerikanische Hersteller anzutreten. Diese langfristige Strategie beginnt sich auszuzahlen. In der nun beginnenden Ära der Massenproduktion von E-Autos stehen chinesische Unternehmen bereit, die weltweite Marktführerschaft zu übernehmen und das nicht nur im Segment der Edelkarossen: Das erste leistungsfähige und bezahlbare elektrische Auto für die Masse der Käufer wird, diese Prognose kann man wagen, aus China kommen.

Und im Bereich der KI-Anwendungen ist China ebenfalls auf der Überholspur: Auch wenn BYD heute noch zum Beispiel beim autonomen Fahren mit der Alphabet-Tochter Waymo kooperiert, ist absehbar, dass die chinesischen Hersteller schon bald weitgehend auf KI-Technik aus dem eigenen Land setzen können: Bei der KI-Forschung hat China 2020, was die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen betrifft, die USA überholt. Und was heute in den Instituten erforscht und entwickelt wird, trägt morgen dazu bei, leistungsfähige Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen.

Die USA und China liefern sich einen harten Wettbewerb. Allein schon durch seine Größe und die Möglichkeiten, schnell landesweite Regelungen zu schaffen, welche die eigene Industrie fördern, hat die Volksrepublik Vorteile. Das mag aufgrund der undemokratischen Strukturen, dem Hang zu Subventionen und zur strategischen Abschottung des eigenen Marktes nicht fair sein, ist aber ein entscheidender Faktor.

Die deutsche Automobilindustrie mit ihren weit über einer Million Arbeitsplätzen ist durch diese Entwicklung bedroht. Während in Deutschland darüber diskutiert wird, ob man künftig überhaupt noch Autos haben will und sich beim Thema Künstliche Intelligenz viele in der Rolle der abwartenden Skeptiker gefallen, erleben wir eine technologische Revolution. Leider vor allem in der Rolle des Beobachters.

Weder in der Politik noch in der Industrie scheint man sich der Dramatik der Lage klar zu sein. China ist dabei, die Früchte jahrzehntelanger Arbeit zu ernten: Es hat in Elektromobilität zu einem Zeitpunkt investiert, als sie in Deutschland noch nicht ernst genommen wurde.

Auch im IT-Bereich ist China längst ein Riese, der mit Alibaba, Baidu und Tencent über Unternehmen verfügt, die es mit Amazon, Alphabet und Activision aufnehmen können. Die Marktkapitalisierung von Alibaba, der chinesischen Antwort auf Amazon, liegt bei knapp unter 300 Milliarden Euro. SAP, das größte IT Unternehmen Europas, erreicht nur eine Marktkapitalisierung von gut 137 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den amerikanischen und chinesischen IT-Giganten, Apple ist 2,4 Milliarden Euro schwer, sind die deutschen Automobilkonzerne Leichtgewichte: Mercedes hat eine Marktkapitalisierung von 106,32 Milliarden Euro, VW von 75,99 Milliarden Euro und BMW nur von 63,80 Milliarden Euro. In China und den USA sitzen nicht nur das Wissen und das Kapital, sondern auch der Wille, globale Märkte zu dominieren.

Wenn Deutschland und Europa auch in Zukunft eine erfolgreiche Automobilindustrie haben wollen, müssen Wirtschaft und Politik nicht nur an einem Strang ziehen, sie müssen sich auch beeilen, denn der Abstand zu den USA und vor allem China wird mit jedem Tag größer.

Talentierte Zuwanderer müssen überzeugt werden, nach Deutschland zu ziehen und junge Menschen davon, MINT-Fächer zu studieren. Die Forschungsausgaben müssen sowohl in der Industrie als auch an den Hochschulen heraufgefahren werden. Genehmigungen, um Entwicklungen in der Praxis erproben zu können müssen leichter zu erhalten sein und Politik und Wirtschaft kommen nicht darum herum, sich auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren: Den Erhalt, ja, den Ausbau, Deutschlands zum auch in Zukunft führenden Automobilstandort.