Zum Inhalt springen

Prof. Dr. Sahin Albayrak: „Wissenschaft muss bei Debatte über Zukunft des Industriestandorts Deutschlands gehört werden“


Am 10. Januar lädt Bundeskanzler Olaf Scholz zum ersten „Spitzentreffen der Strategieplattform der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ ein. Der Name ist klug gewählt. Um einen klassischen Autogipfel, wie es ihn früher gab, handelt es sich bei dem Treffen nicht.

Neben den Vorstandschefs von BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen, Oliver Zipse, Ola Källenius und Oliver Blume, hat der Kanzler auch den Vorstandschef des Chip-Herstellers Infineon, Jochen Hanebeck, und den Deutschland-Geschäftsführer des Batterieherstellers Northvolt, Christofer Haux, eingeladen. Betriebsräte, Vertreter von Verkehrsinitiativen und mit Holger Klein von ZF Friedrichshafen sitzt auch der Chef eines bedeutenden Zulieferers mit am Tisch.

Bei dem Treffen soll es nicht nur um Elektromobilität, den Aufbau der Ladeinfrastruktur und die Sicherung der Versorgung der Hersteller zum Beispiel mit Hochleistungsbatterien gehen, sondern auch um Smart Cars.

Smart Cars sind die Autos der Zukunft. Zu den Technologien, die das Auto smart machen gehören das Autonome Fahren und viele Entwicklungen, die mit künstlicher Intelligenz zu tun haben. Einige machen aber vor allem Spaß, weil sie helfen, das Auto zu individualisieren. In den USA stellte BMW unlängst den „DEE“ vor, der seine Außenfarbe verändern kann. All diese smarten, intelligenten Technologien sind für die Zukunft der Automobilindustrie in Deutschland entscheidend.

Für den Bereich Autonomes Fahren und Fahrassistenzsysteme geht die Unternehmensberatung McKinsey von einer jährlichen Steigerung des Marktvolumens um 15 bis 20 Prozent jährlich aus. Von heute rund 50 Milliarden US-Dollar wird dieser Markt nach Ansicht der Experten bis 2035 auf 300 bis 400 Milliarden US- Dollar wachsen.

Natürlich werden nicht in zwei oder drei Jahren die Autos vollkommen autonom über die Straßen fahren. Die Entwicklung des autonomen Fahrens, von Automobilen, die sich im Straßenverkehr ähnlich oder sogar klüger als Menschen verhalten, ist eine komplexe Technologie nötig. Und solche Entwicklungen brauchen Zeit. Aber genau darin liegt die Chance für ein HighTech-Land wie Deutschland: Wäre es leicht, solche Systeme zu entwickeln, könnte es jeder.

So ergeben sich neue Möglichkeiten für Entrepreneure, gemeinsam mit den etablierten Playern der Industrie die Stellung der deutschen Automobilindustrie in Zukunft auszubauen.
Wissenschaft und Industrie in Deutschland haben eine große Chance, sich im internationalen Wettbewerb durchzusetzen. Man muss es allerdings wollen und erkennen, dass die Konkurrenz fähig und schnell ist. Will man gewinnen, muss man besser und schneller sein. In den vergangenen Monaten wurden auf europäischer und deutscher Ebene die notwendigen rechtlichen Grundlagen geschaffen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.

Damit deutsche Automobilhersteller und Zulieferer von diesem Wettbewerb und den durch Digitalisierung getriebenen Wachstumsmärkten profitieren können, muss viel geschehen: Zum einen muss das Bewusstsein über die Bedeutung der Digitalisierung bei den Entscheiden in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft weiterwachsen. Dazu gehört auch die Einsicht,  welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn die Industrie die Möglichkeiten nutzt, die sich durch Künstliche Intelligenz ergeben.

Dafür muss Künstliche Intelligenz erlebbar werden: Für die Bürger ebenso wie für Politiker und Unternehmer. In unserem Zentrum für erlebbare KI (Zeki) in Berlin bieten wir allen an, sich über die neuesten Entwicklungen in Bereichen wie Künstliche Intelligenz und Autonomes Fahren nicht nur zu informieren, sondern sie hautnah zu erfahren. So kann die Akzeptanz erhöht und Vorbehalte abgebaut werden. Die Bundesregierung, das Land Berlin und die TU haben das erkannt und unterstützen uns bei dieser Arbeit. Zu den Gästen, die wir im Zeki bereits begrüßen durften, gehörten unter anderem die Human Factors-Forscherin Sarah Sharples von der University of Nottingham,  Ahmad Al-Sayed, Staatsminister und Vorsitzender des Verwaltungsrats der katarischen Free Zones Authority,  Mehmet Simsek, von 2015 bis 2018 stellvertretender Ministerpräsident der Türkei, Markus Achleitner, Landesrat in der oberösterreichischen Landesregierung, die komplette Führungsmannschaft der Sabancı Holding mit ihrem CEO Cenk Alper an der Spitze, der weltbekannte Digitalstratege Güngör Kara, Kemal Kılıçdaroğlu, der Vorsitzender der türkischen Oppositionspartei CHP und Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes im Kabinett Scholz.

Schon heute suchen Unternehmen zum Teil verzweifelt nach Informatikern und Elektroingenieuren, nach Experten für Autonomes Fahren und Künstliche Intelligenz. Ohne ihr Wissen und ihre Kreativität wird es schwer für die deutsche Automobilindustrie, ihren Spitzenplatz in der Welt zu behaupten. Auch für Experten aus dem Ausland, ohne die es nicht geht, muss Deutschland attraktiver werden. Hier wartet auf Bund, Länder und Kommunen viel Arbeit.

Aber das Wichtigste ist, dass in diesem Land die Lust auf Technik, Innovation und Wettbewerb wieder zunimmt. Die Herausforderungen, vor denen die Automobilindustrie steht, ja, die gesamte Digitalisierung in nahezu allen Lebensbereichen, wird noch zu oft als Problem gesehen. Sie ist eine Chance und diejenigen, die sie erfolgreich meistern, werden belohnt werden.

Es ist gut, dass Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem „Spitzentreffen der Strategieplattform der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“ eingeladen hat. Der Teilnehmerkreis sollte künftig jedoch ausgeweitet werden: Die Wissenschaftler und Vertreter von Startups können wichtige Beiträge in der Debatte über die Zukunft der Automobilindustrie liefern. Auch ihre Stimmen sollten gehört werden.